Wovon beim Erwachensprozess oft nicht gesprochen wird

Wenn die Erkenntnis sehr tief geht, fühlen Menschen alle Emotionen ungefiltert, bis hin zu dem tief vergrabenen Urschmerz/die Urwunde des Abgetrennt-seins/des sich-nicht- Geliebt-Fühlens. Ist das System so offengelegt, fühlt man nicht mehr von der Erwachsenen-Ebene aus, also von der sich entwickelten Erwachsenen-Perspektive aus - basierend auf Wissen und Erfahrung und ausgestattet mit Bewältigungsstrategien (die helfen mit überwältigenden Emotionen „erwachsen“ (meist pseudo-erwachsen) umzugehen), sondern von einer – wie als Kind - ungeschützten Offenheit aus.

Die Bewältigungsmechanismen (Abspaltung) samt weiteren darauf aufgebauten Kompensationsstrategien erzeugen einen Abstand (Puffer) zu den Emotionen - eine im Kollektiv als normal geltende Dissoziation (als Schutz gegenüber der ursprünglich erlebten Empfindsamkeit).

An einem gewissen Punkt der Erkenntnis funktionieren diese Abwehrmechanismen nicht mehr und man fühlt somit wieder alles – wie als Kleinkind ungefiltert, bis aufs Mark. Man erlebt/fühlt alle Kindheitstraumata noch einmal sehr intensiv und mit vollem Bewusstsein (jedoch ohne Betäubung, also roh und ungeschützt). Die zuvor installierte Erwachsenen-Kontroll- und Schutzstrategie gegenüber Emotionen ist einem wie abhandengekommen.  

Man fühlt alles „full on“ und kann schlichtweg nicht mehr dissoziieren. Es ist, als ob man zur Emotion selbst wird und es ist unmöglich geworden, sich da hinauszumanövrieren. Man mag vielleicht noch alles ausprobieren, aber bald wird man sehen, nichts funktioniert mehr, um die Emotionen zu stoppen. Du wirst wieder und wieder zurück katapultiert, und es kann mitunter höchst intensiv sein.

Ich will dir sagen, dass das normal ist und Teil von diesem Prozess. Nichts läuft falsch mit dir…und ja, es ist herausfordernd…mit Job, Familie etc…Das Problem ist, dass der Kopf, der alles managen will und Kontrolle über die Gefühle und Emotionen haben will/muss, es nicht verstehen kann und seine Kontrolle nicht aufgeben will. Er will den Organismus vor Unheil und Tod schützen und schlägt Alarm. Das kann oft zu  enormen und höchst intensiven Spannungen und innerer Zerrissenheit zwischen der Schutz-Kontroll-Instanz des Kopfes (etwas dagegen tun müssen/sollen, mit Angst und Panik, Terror Alarm schlagen - Todesangst) und dem Zulassen alter als gefährlich abgespeicherten Emotionen (Erniedrigt- Bloßgestellt-Werden, Ohnmacht, Hilflosigkeit, Schutzlosigkeit, Alleingelassen-Sein, Ausgeliefertsein etc.) führen…nicht selten wird das als innerer Kampf erlebt. Ja, es kann sich unheimlich herausfordernd anfühlen und sehr, sehr schwierig sein…

Was es braucht, ist, die Bereitschaft immer wieder alles zu fühlen – ggf. mit Hilfe…um all dem Ausdruck zu geben, was Ausdruck + Verarbeitung benötit. Und sehr viel Geduld, mitunter Mut.


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